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.Der Examin-ator in Literatur besondersschmeichelte ihr, indem er mit mir imKonversationston sprach und michfragte, ob ich eine Verwandte von Ro-ger de Beauvoir sei: Ich entgegnete,dieser Name sei ein Pseudonym; erfragte mich nach Ronsard; währendich mein Wissen vor ihm ausbreitete,bewunderte ich dennoch das schöneDenkerhaupt, das sich mir entgegen-neigte: Endlich sah ich von Angesicht728/1746zu Angesicht einen der hervorra-genden Männer vor mir, an deren Billi-gung mir so sehr gelegen war! Bei denPhilologieprüfungen jedoch empfingmich der Prüfende mit den ironischenWorten: «Ich sehe, Mademoiselle, Siesammeln Diplome!» Verstört wurdeich mir plötzlich darüber klar, dassmein Vorgehen lächerlich erscheinenmochte; doch setzte ich mich darüberhinweg.Ich bestand mit 9 gut: , und dieDamen, die befriedigt waren, diesenErfolg auf ihre Ruhmestafeln einsch-reiben zu dürfen, gratulierten mir.Meine Eltern strahlten.Jacques, derimmer kategorische Urteile fällte,729/1746erklärte: «Man muss mindestens mit9 gut: bestehen oder überhaupt nichtbestehen.» Er sprach mir eifrig seineGlückwünsche aus.Zaza kam ebenfallsdurch, aber in dieser ganzen Zeit sor-gte ich mich weniger um sie als ummich.Clotilde und Marguerite schicktenmir liebevolle Briefe; meine Mutterverdarb mir ein wenig die Freude, in-dem sie sie mir geöffnet übergab undmir den Inhalt angeregt erzählte; dochwar der Brauch so fest verankert, dassich keinen Einspruch erhob.Wir be-fanden uns damals in Valleuse in derNormandie bei ungemein730/1746rechtdenkenden Vettern.Ich mochteden allzu geleckten Besitz nicht sehrgern: Es gab keine Hohlwege, keineWälder; Stacheldraht war rings um dieWiesen gezogen; eines Abends schlichich mich unter der Einfriedunghindurch und streckte mich auf demGrase aus: Eine Frau trat heran undfragte mich, ob ich krank sei.Ichbegab mich zurück in den Park, aberich erstickte darin.Da mein Vaternicht bei uns war, fanden Mama undmeine Vettern sich in gleicher Fröm-migkeit, sie bekannten sich zuidentischen Prinzipien, ohne dass jeeine Stimme diesen vollkommenen731/1746Einklang durchbrach; da sie sich mitSelbstverständlichkeit vor mir äußer-ten, zwangen sie mir eine Zuge-hörigkeit auf, gegen die ich mich nichtzu verwahren wagte, aber ich hatteden Eindruck, dass man mir Gewaltantat.Wir fuhren im Auto nach Rouen;der Nachmittag verging mit dem Be-such von Kirchen, es gab deren viele,und jede einzelne entfesselte ekstat-ische Begeisterung; vor den stein-ernen Spitzen von Saint-Maclou stiegdas Entzücken zum Paroxysmus an:Welche Arbeit! Welche Feinheit! Ichschwieg.«Wie? Findest du das etwanicht schön?», wurde ich mit732/1746Entrüstung in der Stimme gefragt.Ichfand es weder schön noch hässlich, ichempfand gar nichts dabei.Sie drangenweiter in mich, ich biss die Zähnezusammen; ich lehnte es unbedingt ab,mir mit Gewalt Worte in den Mund le-gen zu lassen.Aller Blicke richtetensich tadelnd auf meine widerspensti-gen Lippen; Zorn und Jammer triebenmir fast Tränen in die Augen.MeinVetter erklärte schließlich in versöhn-lichem Ton, in meinem Alter neigeman zum Widerspruch, und meine Qu-al nahm daraufhin ein Ende.Im Limousin fand ich wieder dieFreiheit, die mir so notwendig war.733/1746Wenn ich den Tag allein oder mitmeiner Schwester verbracht hatte,spielte ich gern am Abend in derFamilie Mah-Jong.Ich tat die erstenSchritte in die Philosophie, indem ichLa Vie intellectuelle von Pater Sertil-langers und La Certitude morale vonOllé-Laprune las, die ich beide furcht-bar langweilig fand.Mein Vater hatte nie Gefallen anPhilosophie gefunden.In meinerUmgebung so gut wie in der von Zazastand man ihr argwöhnisch ge-genüber.«Wie schade! Du hast so ein-en netten klaren Geist, jetzt wird mandich lehren, unvernünftig zu denken!»,734/1746sagte ein Onkel zu ihr.Jacques indes-sen hatte sich dafür interessiert.Beimir erweckte alles Neue stetsHoffnung.Voller Ungeduld erwarteteich den Wiederbeginn des Unterrichts.Psychologie, Logik, Ethik, Meta-physik: Abbé Trécourt schaffte diesesPensum in je vier Wochenstunden.Erbeschränkte sich darauf, uns unsereArbeiten wiederzugeben, uns ein 9 Cor-rigé: zu diktieren und uns die aus un-serem Handbuch auswendig gelerntenLektionen aufsagen zu lassen.Bei je-dem Problem stellte der Verfasser, derhochwürdige Pater Lahr, ein knappesInventar der menschlichen Irrtümer735/1746auf und lehrte uns die Wahrheit nachdem hl.Thomas von Aquino.Auch derAbbé gab sich nicht mit Spitzfind-igkeiten ab.Um den Idealismus zuwiderlegen, hielt er den Augenscheindes Berührens den möglichenTäuschungen des Gesichtssinns entge-gen; er schlug auf den Tisch underklärte: «Was ist, ist.» Die Bücher,die er uns zur Lektüre empfahl, warennicht besonders anregend; es warL Attention von Ribot, La Psychologiedes Foules von Gustave Lebon und LesIdées-forces von Fouillée.Dennochstürzte ich mich leidenschaftlich aufsie.Es waren, nunmehr von736/1746ernsthaften Leuten behandelt, Prob-leme, die mich seit meiner Kindheitbeschäftigt hatten und die ich hier nunwiederfand; auf einmal war die Weltder Erwachsenen nichts Selbstver-ständliches mehr, es gab eine Kehr-seite, eine Unterseite, und Zweifel sch-lich sich ein; wenn man noch weitervorstieß, was blieb dann? Man stieß je-doch nicht weiter vor, aber es war jaschon etwas Außerordentliches, dassuns hier nach zwölf Jahren des Dog-matismus eine Disziplin vorgestelltwurde, die Fragen aufwarf und sie un-mittelbar an mich richtete.Denn ichselbst, das Ich, von dem man mir737/1746bislang immer nur in allgemeinenRedensarten gesprochen hatte, warjetzt plötzlich in Aktion getreten.Wo-her kam mein Bewusstsein? Von wo-her erhielt es seine Macht? Das Stand-bild Condillacs zog mich jetzt in diegleichen unergründlichen Wirbel desGrübelns hinein wie der alte Rockdamals, als ich sieben Jahre alt war
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