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.DieEmpörung darüber reicht bis insehemals konservative Lager hinein,das eine »Selbstdesillusionierungdes bürgerlichen Denkens«, soFrank Schirrmacher, Herausgeberder Frankfurter AllgemeinenZeitung, konstatierte454.»Kapital«,so lehrte einst David Ricardo(1772 1823), »ist vorgetaneArbeit« (siehe Kapitel 6).DieErfahrung lehrt, dass es dasPotenzial hat, sich gegen die zurichten, denen es seine Herkunftverdankt455.Die noch nicht gelösteAufgabe wird sein, eine»handlungs- undentscheidungsfähige Staatsgewalt« so der ehemalige Präsident desBundesverfassungsgerichts, Ernst-Wolfgang Böckenförde zuschaffen, welche den Finanzsektorunter Kontrolle bringt, ohne dafür wie es in den sozialistischenStaaten der Fall war die Freiheitzu opfern.»Rein koordinativ, aufdem Wege der allseitigenKonsensbildung, lässt sich einsolcher Umbau nicht bewirken«, sonochmals Böckenförde456, wasbedeutet, dass dies in einem hartenpolitischen Kampf durchgesetztwerden muss.Erziehung und BildungAuch wenn wir die »Erfindung derArbeit«, wie in Kapitel 6vorgeschlagen, auf die Zeit derbeginnenden Sesshaftigkeit desMenschen vor etwa 12 000 Jahrendatieren457, so wurden dieVoraussetzungen der Arbeit nämlich die Fähigkeit des Menschenzur Herstellung von Werkzeugen bereits Hunderttausende vonJahren früher entwickelt458.MitBeginn der Sesshaftigkeit, mitGetreidezucht und Ackerbau, mitder Domestikation von Nutztierenund wenig später mit derBearbeitung erster Metalle setztedann allerdings eineBeschleunigung der technischenEntwicklung ein, die mit Blick aufdie Millionen Jahre währendeevolutionäre Entwicklung desMenschen beispiellos ist.459Die Techniken undWissensbestände, die unsereSpezies bis zum heutigen Tagentwickelt hat und die überall dains Spiel kommen, wo Arbeitstattfindet, sind von faszinierender,aber auch beängstigender Quantitätund Komplexität.Zwar sind dieSysteme des menschlichen Gehirns,in denen die akkumuliertenWissensbestände und Fähigkeitengespeichert werden können, Teilunserer Erbmasse.DieWissensbestände und Fertigkeitenselbst (die »Contents« in derSprache der Medienwissenschaft)sind es aber nicht.Dies bedeutet,dass jedes Kind und jederJugendliche sich das evolutionärakkumulierte Wissen aneignenmuss, so weit er oder sie diesesWissen für sein oder ihr Leben, vorallem aber für die berufliche Arbeitbenötigt.Kurz gesagt, muss jedes Kindeinen Teil der kognitivenEntwicklung der Menschheit inseiner eigenen sozusagen nochmalsdurchlaufen, ein Prozess, den wir»Erziehung« und »Ausbildung«nennen460.Erziehung undAusbildung sind keine gegen die»Natur« des Kindes gerichtetenProzesse, dies ist eine ausneurobiologischer Sicht abwegigeDenkweise, die mit der Rezeptionvon Jean-Jacques Rousseau (17121778) und dessen reduziertemBegriff von »Natur« zu tun hat.Dasauf den Erwerb sozialerKompetenzen spezialisierteStirnhirn und das auf anspruchsvollekognitiv-intellektuelle Leistungenausgerichtete, gesamte Großhirnsind biologische Hinweisgeber, diedeutlich machen, dass »Erziehung«und »Bildung« Teile unserernatürlichen Bestimmung sind.Werein Kind nicht erzieht und bildet,versündigt sich an der »natürlichen«(!) Reifung seines Gehirns.Prozesse, die dem nahe stehen,was wir »Erziehung« und »Bildung«nennen, finden in vielfältiger Weiseauch im Tierreich statt.Vieletierische Verhaltensweisen, die infrüheren Zeiten als ausschließlich»instinktiv« bzw.genetischvorgegeben galten, haben sich alsProdukte von sozialem undkognitivem Lernen herausgestellt.Dass »Erziehung« und »Bildung«nicht kontrabiologische, sondernbiologisch vorgesehene Programmesind, ist jedoch weder ein Plädoyerfür die einst praktizierte,unmenschliche (und in der Tatwidernatürliche) »schwarzePädagogik«461 noch einWiderspruch zur der Tatsache, dasswir evolutionär für viele Aspekteunseres zivilisatorischen Lebens insbesondere für den Mangel ankörperlicher Bewegung und anMuße nicht »gemacht« sind.Systeme des Gehirns, dieGrundlage unserer emotionalenBedürfnisse und Fähigkeiten sind,sind evolutionär gesehen deutlichälter als jene, die unsere kognitiv-intellektuellen Leistungen möglichmachen.Evolutionär am spätestenhaben sich die im Frontalhirnuntergebrachten Zentren für sozialeKompetenz entwickelt, die etwasmöglich machen, ohne das es keineArbeit geben könnte:Kooperation462.Die Erziehung des Kindes mussberücksichtigen, dass dieEntwicklung der drei Hirnsysteme(emotionales System, kognitivesSystem, soziales System463)aufeinander aufbaut: Emotionalvernachlässigte Kinder sind, wieStudien zeigen, auch in ihrerkognitiv-intellektuellen Entwicklungeingeschränkt.In ihrer kognitiv-intellektuellen Entwicklung nichtgeförderte Kinder wiederum habengrößere Probleme als andere, gutesoziale Kompetenzen zu entwickeln.Alles beginnt mit der emotionalenEntwicklung, deren Voraussetzung vom ersten Lebenstag an dieErfahrung von zärtlichemKörperkontakt, Einfühlung undGeborgenheit ist
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